Das globale Phänomen der Hassrede im Internet hat in den beiden Jahren der Covid-Pandemie ein alarmierendes Ausmass angenommen. Ein häufig praktizierter Ansatz zur Eindämmung von Hassrede ist die Gegenrede (Counter Speech), wie ihn auch das Projekt «Stop Hate Speech» vorschlägt und mit einer Community von Freiwilligen trainiert und anwendet. Die Idee: Hass bleibt nicht unwidersprochen. Indem eine Community bei Hasskommentaren aktiv dagegenhält, kann einerseits der Hass gebremst werden, andererseits wird der Online-Diskurs für alle zugänglicher und so die Meinungsfreiheit gestärkt. Damit die Gegenrede als Instrument aber tatsächlich Hass eindämmt, muss sie möglichst wirkungsvoll sein. Zur Frage, welche Art der Gegenrede die grösste Wirkung erzielt, existieren jedoch kaum wissenschaftliche Experimente.
Ein Forschungsteam um Dominik Hangartner, Professor für Politikanalyse an der ETH Zürich, hat nun untersucht, welche Botschaften die Verfasser:innen von Hate Speech am ehesten dazu bewegen, künftig auf Hassbotschaften zu verzichten. Anhand der Reaktionen auf Hassnachrichten von 1’350 Twitter-Nutzer:innen wurden verschiedene Strategien zur Gegenrede experimentell getestet. Die Ergebnisse sind eindeutig: Nur Antworten, die an die Empathie mit den von der Hassrede Betroffenen appellieren - wie z.B. «Ihr Post ist für Jüdinnen und Juden sehr schmerzhaft…» -, können die Hassredner:innen dazu bewegen, ihr Verhalten zu ändern. «Wir haben sicherlich kein Allheilmittel gegen Hassrede im Internet gefunden, aber wichtige Hinweise, welche Strategien funktionieren können und welche nicht», sagt Dominik Hangartner. Die Studie wurde am 6. Dezember 2021 in der renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.
Für das nationale «Stop Hate Speech»-Projekt der Public Discourse Foundation, das mit der ETH Zürich und der Universität Zürich an der Gegenrede arbeitet, sind die Forschungsergebnisse enorm wichtig. «Mit Empathie kann Hate Speech am wirkungsvollsten bekämpft werden. Diese Erkenntnis ist zentral für unser Projekt zur Reduktion von Hass im Netz», sagt Sophie Achermann, Co-Projektleiterin. «Auch Regierungen, NGOs oder Medienunternehmen können darauf aufbauen, um adäquat auf ein globales demokratie- und diskursschädigendes Problem zu reagieren.»
Unter der Leitung von Public Discourse Foundation leistet das Projekt «Stop Hate Speech» Pionierarbeit, indem es Technologie, Zivilgesellschaft und Wissenschaft miteinander verbindet, um gemeinsam gegen Hass im Netz vorzugehen. Der eigens für das Projekt entwickelte Algorithmus «Bot Dog» wurde von einer Online-Community trainiert, um Hate Speech im Internet aufzuspüren und zu erkennen. So kann Bot Dog die Nutzer:innen alarmieren, wenn ein Beitrag auf Social Media oder ein Onlinekommentar auf einer Medienplattform Hass enthält. Die Community reagiert mit Gegenrede und holt die Diskussion auf eine sachliche Ebene zurück. Je besser die Wirksamkeit verschiedener Gegenrede-Strategien erforscht ist, desto einfacher wird es künftig sein, Hate Speech einzudämmen.
Studie: Dominik Hangartner, Gloria Gennaro, Sary Alasiri, Nicholas Bahrich, Alexandra Bornhoft, Joseph Boucher, Buket Buse Demirci, Laurenz Derksen, Aldo Hall, Matthias Jochum, Maria Murias Munoz, Marc Richter, Franziska Vogel, Salomé Wittwer, Felix Wüthrich, Fabrizio Gilardi and Karsten Donnay. (2021). Empathy-based Counterspeech Can Reduce Racist Hatespeech in a Social Media Field Experiment. Proceedings of the National Academy of Sciences 118(50): e2116310118.