Ein Forschungsteam um Dominik Hangartner, Professor für Politikanalyse an der ETH Zürich, hat untersucht, welche Botschaften die Verfasser:innen von Hate Speech am ehesten dazu bewegen, künftig auf Hassbotschaften zu verzichten. In einer ersten Studie 2021 wurden verschiedene Strategien zur Gegenrede experimentell getestet und deren Wirksamkeit anhand der Reaktionen von 1’350 Twitter-Nutzer:innen, welche Hassnachrichten publizierten, evaluiert.
Die Ergebnisse sind eindeutig: Nur Antworten, die an die Empathie mit den von der Hassrede Betroffenen appellieren – wie z.B. «Ihr Post ist für Jüdinnen und Juden sehr schmerzhaft» oder «Aussagen wie diese sind verletzend gegenüber Migrant:innen» – können die Hassredner:innen dazu bewegen, ihr Verhalten zu ändern.
Im Gegensatz dazu hatten humorvolle Reaktionen und Warnungen vor möglichen Konsequenzen (z. B. dass Familie und Kolleg:innen mitlesen) keine signifikante Wirkung.
"Wir haben sicherlich kein Allheilmittel gegen Hassrede im Internet gefunden, aber wichtige Hinweise, welche Art von Strategien funktionieren können und welche nicht" , sagt Studienleiter Dominik Hangartner.
Die 2025 in Nature Scientific Reports veröffentlichte Folgestudie bestätigt nicht nur die ursprünglichen Effekte auf die Verfasser:innen von Hasskommentaren, sondern zeigt erstmals, dass Gegenrede auch das Verhalten von sogenannten „Bystanders“ beeinflusst – also von Nutzer:innen, die Hassrede lediglich mitlesen.
Dazu beobachteten die Forschenden das Verhalten von Personen, die zufällig mit Gegenrede konfrontiert wurden, die sich an andere richtete. Das zentrale Ergebnis: Auch diese Mitlesenden reagierten messbar anders – sie likten die Hasskommentare seltener, wodurch sich deren Reichweite verringerte. Besonders wirksam war Gegenrede, die dazu anregte, sich in die Situation der betroffenen Gruppe hineinzuversetzen. Nachrichten, die den Absender an eigene negative Erfahrungen erinnern, wie zum Beispiel selbst einmal beleidigt worden zu sein, helfen, eine Parallele zu den Gefühlen der angegriffenen Gruppe zu ziehen.
Die Autor:innen sagen dazu:
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass erfolgreiche Gegenrede nicht nur jene beeinflusst, die direkt angesprochen werden, sondern auch die Unterstützung und dadurch Verbreitung der Hassbotschaft durch Mitlesende reduzieren kann.”
Für das nationale «Stop Hate Speech»-Projekt der Public Discourse Foundation, das mit der ETH Zürich und der Universität Zürich zu Fragen von Hate Speech arbeitet, sind die Forschungsergebnisse wichtig. «Mit Gegenrede, welche einen Perspektivenwechsel fördert, kann Hate Speech und deren Weiterverbreitung am wirkungsvollsten bekämpft werden. Diese Erkenntnis ist zentral für unser Projekt zur Reduktion von Hass im Netz», sagt Sophie Achermann, Geschäftsführerin der Public Discourse Foundation. «Auch Regierungen, NGOs oder Medienunternehmen können darauf aufbauen, um adäquat auf ein globales diskurs- und demokratieschädigendes Problem zu reagieren.»
Unter der Leitung der Public Discourse Foundation leistet das Projekt «Stop Hate Speech» Pionierarbeit, indem es Technologie, Zivilgesellschaft und Wissenschaft miteinander verbindet, um gemeinsam gegen Hass im Netz vorzugehen.
Studie: Dominik Hangartner et al. (2021). Empathy-based Counterspeech Can Reduce Racist Hate speech in a Social Media Field Experiment. Proceedings of the National Academy of Sciences 118(50): e2116310118.
Studie: Gloria Gennaro. et al. (2025). Counterspeech encouraging users to adopt the perspective of minority groups reduces hate speech and its amplification on social media. Scientific Reports 15, 22018.